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DEUTSCHE und SLAVISCHE KULTUR

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VON DER EHEMALS engen Verbundenheit deutscher und slavischer Kultur zeugt reprsentativ das Lebenswerk JOHANN GOTTFRIED HERDERS (1744-1803).
Herders Schriften trugen mageblich zur Entstehung eines nationalen Empfindens unter den Slavenvlkern bei, das sich auf Sprache und Kultur grndete.
Sie erweckten unter den slavischen Intellektuellen das Interesse an der eigenen Volksberlieferung und an der Erforschung der Muttersprache, denn nach Herder war "in jeder derselben der Verstand eines Volkes und sein Charakter geprgt.
Vor allem durch das 1791 entstandene Slavenkapitel in seinem Hauptwerk Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit wurde Herder zum Miterwecker eines Selbstbewutseins und Zusammengehrigkeitsgefhls unter den Slaven.
Herder erblickte jedes Volk als eine von Gott geschaffene Wesenheit, die nach dem Schpfungsplan eine unersetzbare Funktion zu erfllen habe.
Gleichzeitig hielt er die Vlker fr lebendige Spiegel, die nach einem jeweils unterschiedlichen "Brechungswinkel" die ganze Menschheit abbildeten.
"Sie waren mildttig, bis zur Verschwendung gastfrei, Liebhaber der lndlichen Freiheit, aber unterwrfig und gehorsam, des Raubens und Plnderns Feinde.
Alles das half ihnen nicht gegen die Unterdrckung; ja es trug zu derselben bei.
Denn da sie sich nie um die Oberherrschaft der Welt bewarben, keine kriegsschtigen, erblichen Frsten unter sich hatten und lieber steuerpflichtig wurden, wenn sie ihr Land nur mit Ruhe bewohnen konnten: so haben sich mehrere Nationen, am meisten aber die vom deutschen Stamme, an ihnen hart versndigt.
Schon unter Karl dem Groen gingen jene Unterdrckungskriege an, die offenbar Handelsvorteile zur Ursache hatten, obgleich sie die christliche Religion zum Vorwande gebrauchten.
Was die Franken angefangen hatten, vollfhrten die Sachsen; in ganzen Provinzen wurden die Slaven ausgerottet oder zu Leibeigenen gemacht und ihre Lndereien unter Bischfe und Edelleute verteilt.


Unglcklich [ist das slavische Volk], da seine Lage unter den Erdvlkern es auf einer Seite den Deutschen so nahe brachte, und auf der andern seinen Rcken allen Anfllen stlicher Tataren freilie, unter welchen, sogar unter den Mongolen, es viel gelitten, viel geduldet. Das Rad der ndernden Zeit dreht sich indes unaufhaltsam; und da diese Nationen grtenteils den schnsten Erdstrich Europas bewohnen, wenn er ganz bebaut und der Handel daraus erffnet wurde, da es auch wohl nicht anders zu denken ist, als da in Europa die Gesetzgebung und Politik statt des kriegerischen Geistes immer mehr den stillen Flei und den ruhigen Verkehr der Vlker untereinander befrdern mssen und befrdern werden: so werdet auch ihr so tief versunkene, einst fleiige und glckliche Vlker endlich einmal von eurem langen trgen Schlaf ermuntert, von euren Sklavenketten befreit, eure schnen Gegenden vom Adriatischen Meer bis zum karpathischen Gebirge, vom Don bis zur Mulda [Moldau] als Eigentum nutzen und eure alten Feste des ruhigen Fleies und Handels auf ihnen feiern drfen!“
Herder erblickte in den Slaven die jugendlichen Trger einer zuknftigen Weltkultur, die eines Tages das Ideal der hchsten Humanitt verwirklichen sollten. Um dieser Zukunftsmission gerecht werden zu knnen, bedurfte es der freien Entwicklung der menschlichen Seelenkrfte, die sich durch die Sprache, dem "Wesen der menschlichen Seele", offenbaren. "Der Mensch ist ein freidenkendes, ttiges Wesen, dessen Krfte in Progression fortwirken; darum sei er ein Geschpf der Sprache.“ Sollten also die Krfte der jugendlichen slavischen Vlker erweckt und erzogen werden, mute man folglich ihre Sprachen pflegen, erhalten und weiterbilden.
Herders Gedanken trafen in den tieferen Bewutseinsschichten von Vertretern der slavischen Intelligenz auf ein auergewhnliches Echo, vor allem in der Zeit des "nationalen Erwachens", der "Wiedergeburt" der mitteleuropischen Vlker whrend der ersten Hlfte des 19. Jahrhunderts. Stellvertretend fr viele Stimmen sei aus dem Artikel eines anonymen Kroaten zitiert, der 1837 in der Zeitung Danica ilirska verffentlicht wurde. Darin heit es: "Pflanzen wir unserer Jugend die lebendige und heie Liebe zur Muttersprache in die zrtlichen Herzen. (...) Soll unsere Jugend die Wahrheit der goldenen Herderschen Worte in ihre Seele aufnehmen. (...) Hat wohl ein Volk etwas liebenswerteres als die Sprache seiner Vter? In der wohnet sein ganzer Reichtum an Gedanken, Tradition, Geschichte, Religion und Grundstzen des Lebens, all sein Herz und Seele! Einem solchen Volke seine Sprache nehmenoder herabwrdigen heisst ihm sein einziges unsterbliches Eigenthum nehmen, das von Eltern auf Kinder vorgeht. Wer mir meine Sprache verdrngt, will mir auch meine Vernunft und Lebensweise, die Ehre und Rechte meines Volkes rauben. (...) Kein grsserer Schaden kann einer Nation zugefgt werden, als wenn man ihr den Nationalcharakter, die Eigenheiten des Geistes und ihre Sprache raubt!"
Der Slovake JN KOLLR (1793-1852) hatte von 1817 bis 1819 in Jena studiert und wardort den Spuren Schillers, Wielands und Herders nachgegangen. Er besuchte Goethe und beschftigte sich mit Wilhelm von Humboldts Sprachentheorie. Auf dem Wartburgfest hatte Kollr am 18. Oktober 1817 miterlebt, wie sich die jungen Vertreter der deutschen Stmme zu einer einigen deutschen Nation bekannten. Dabei stieg in ihm der Gedanke auf, da hnlich wie sich die deutsche Nation aus verschiedenen Volksstmmen (Bayern, Franken, Hessen, Preuen usw.) zusammensetzte, auch die einzelnen Slavenvlker lediglich Stmme der einen slavischen Nation darstellten.
Das Ideal der "slavischen Wechselseitigkeit" (slovansk vzjemnost) wurde von Kollr ursprnglich als geistig-kulturelle Aufgabe, nicht jedoch als politisches Ziel verstanden. Sie sollte die Slaven auf eine hhere Kulturstufe heben und aus der Nationalitt in ein allgemein-menschliches Element fhren:
"Menschen und Vlker, im schnsten Sinne des Wortes, werden erst durch die Anschauung des Ganzen der Menschheit, ohne welche die einzelnen Menschen nur Kinder, die Vlker und Stmme nur Barbaren bleiben. Stmme und Vlker die sich den Einflssen und Berhrungen mit anderen verschliessen, sind wie Wohnungen, in welche keine frische Luft kommt." "Das Leben der Menschheit ist Entwicklung der Vernunft oder Entfaltung der inneren Welt im Menschen. Vlker sind Formen in denen sich die Menschheit entwickelt und gestaltet. Das Ziel der Menschheit ist demnach immer vorwrts zu schreiten; sie berechnet ihre Wege aber nicht nach Schritten, Stunden oder Meilen, sondern nach Stadien, Jahrhunderten, Epochen."
"Der Slawe hat innerhalb seiner Nation die schnste Gelegenheit sich zu der Humanitt, zu dem Reinmenschlichen zu erziehen und stuffenweise (sic!) zu erheben. Er kann sich dazu nach und nach ben an den einzelnen Stmmen, sein Humanittsgefhl kann er immer hher steigern, seine Liebe immer weiter ausbreiten, von der Person zum Stamm, vom Stamm zu den Stmmen, von den Stmmen zu der Nation, von der Nation zu der Menschheit. Die andern Vlker sind schon zu sehr in ihre Nationalitt vertieft, zu sehr von jenem Patriotismus, der nur ein einziges Vaterland hat befangen (...). Bei den andern Vlkern ist die Humanitt noch der Nationalitt, bei den Slawen die Nationalitt der Humanitt untergeordnet. (...) Die Slawen sollen also die Fortsetzung des geistigen Lebens der Menschheit bernehmen, die Vermittler zwischen der alten und neuen Welt, zwischen Ost und Sd sein; die alternden Culturelemente verjngen und zur Humanitt potenziiren (...). Die Zukunft keimt und blht nur in und aus der Gegenwart: wer diese nicht schtzen weiss, wie kann der Gutes und Grosses von der Zukunft hoffen?"
Mit einem verwandten Gedanken schlo auch Kollrs Landsmann L'udovt tr seine sehr viel politischer gehaltene Schrift Das Slawenthum und die Welt der Zukunft (1867):
"Erhebet Eure lange gebeugten Herzen, Slawen, u.[nd] fasset Muth zum Handeln mit Hilfe Gottes! Leer ist aber aller Nationaleigendnkel, der keinen tieferen Keim in sich birgt. Um die Menschheit geht es zuletzt, deren wir mit allen anderen Vlkern Glieder sind. Dies unsere Botschaft! Mge sie so empfangen werden, wie sie gemeint war."
Somit erwies sich Kollrs Idee der "slavischen Wechselseitigkeit" als kongeniale Geistesstrmung des deutschen Idealismus. Hatte nicht Friedrich Schiller betont, da gerade ihr "Nationalcharakter" die Deutschen dazu befhige, ber die Nationalitt hinaus Individualitt und allgemeines Menschentum zu entwickeln?
"Deutscher Nationalcharakter.
Zur Nation euch zu bilden, ihr hofft es, Deutsche, vergebens:
Bildet, ihr knnt es, dafr freier zu Menschen euch aus."
Fr Novalis bedeutete "Deutschheit" gar eine Mischung von "Kosmopolitismus mit der krftigsten Individualitt", und Goethe meinte, es sei "einmal die Bestimmung des Deutschen, sich zum Reprsentanten der smtlichen Weltbrger zu erheben."
In dem Streben nach Individualitt und Weltbrgertum lag also fr viele Idealisten, die zu den grten Geistern deutscher Sprache gehrten , der tiefere Sinn der deutschen "Nationswerdung". Daran knpfte sich die Pflege und Entwicklung des individuellen Ich als dem eigentlichen Geist-Kern des Menschenwesens. Die zu einer hheren geistigen Wirklichkeit aufblickende, ichbewute Individualitt kann demzufolge in sich den paradoxen Zustand erleben, da sie ber das Volkstum und die bloe Volkszugehrigkeit hinauswchst und sich gleichzeitig als Mensch schlechthin, als universaler Weltbrger und einmalig-individueller Teil einer brderlichen Menschheitsgemeinschaft begreift. Hierin lag auch der eigentliche Kern von Kollrs Gedanken der slavischen Wechselseitigkeit.
Im Verlauf des 19. Jahrhunderts ging jedoch das Verstndnis fr das Menschenbild der Goethe-Zeit verloren, das auf dem Gedanken der Ichwerdung und der Weltgemeinschaft beruhte. Das geistige Vakuum wurde von Anschauungen gefllt, die den Menschen aus mechanistischer und biologistischer Sichtweise beurteilen wollten. Das Volkstum wurde nun immer hufiger als sich selbstgengendes Endziel betrachtet. An Napoleons Eroberungszgen hatte sich in Mittel- und Osteuropa ein Nationalismus entzndet, der das politische Gedankengut der Franzsischen Revolution assimilierte, aber daraus eigene Schlsse zog. Anders als in Westeuropa wurden stlich des Rheins Nation und Volkstum gleichbedeutende Begriffe, denn man verstand den Menschen weniger als ein politisches Wesen, als den Citoyen einer Gesellschaft von einander gleichgestellten Brgern, sondern vielmehr als ein Wesen, das von den Krften des Blutes, der Abstammung und der Sprache bestimmt wird. Der Darwinismus mute fr das soziale Leben in Mittel- und Osteuropa ungleich fatalere Folgen haben als im Westen, denn hier wurde das alltgliche Durch- und Miteinander der ethnischen Gruppen als konkurrierender berlebenskampf der "Volksrassen" interpretiert. So versanken die Deutschen schon whrend des Wilhelminismus in immer trbere Schichten der ent-ichten, ja ichfeindlichen Volkstmelei, bis sie als dem "Fhrer" willenlos ergebene, herdenhafte "Volksgemeinschaft" Europa mit Terror und Vernichtung berzogen. Der Kulturgedanke der slavischen Wechselseitigkeit wiederum wurde in der zweiten Hlfte des 19. Jahrhunderts in einen politischen Panslavismus umgemnzt, der den imperialistischen Zielen des Zarenreiches dienen sollte; Stalin griff noch 1945 auf panslavistische Tne zurck, um der Einverleibung Ostmitteleuropas in das Sowjetimperium eine historische Rechtfertigung zu verschaffen.
In jener Zeit, als die Fhigkeiten zu instinktiver Gemeinschaftsbildung ebenso versiegten wie die Ordnungsprinzipien vergangener Epochen, blieb die Neugestaltung des sozialen Lebens durch Reprsentanten der europischen Mitte, die auf der ichdurchdrungenen Anschauung einer hheren geistigen Wirklichkeit begrndet werden sollte, in den Anstzen stecken. Es behaupteten sich lediglich diejenigen Krfte, welche die Vlker Mittel- und Osteuropas in ihrer Nationalitt verschlieen wollten. Das an sich berechtigte, ja notwendige Erwachen jener Vlker traf auf keine einsichtsvolle Tatkraft, welches ihre individuellen Anlagen und Fhigkeiten einem greren Ganzen htte dienstbar machen knnen. sterreich, gleichzeitig Urbild und Keim eines zuknftigen Europa, wurde vom Eigennutz seiner Vlker und der Interessenspolitik uerer Mchte zersprengt. Was folgte, waren zwei Weltkriege, zwei menschenverschlingende Ideologien, Ha, Zwietracht und furchtbarstes Leid. "Der Weg der neueren Bildung", um Grillparzer zu bemhen, fhrte die europische Mitte so gesehen tatschlich "von Humanitt durch Nationalitt zur Bestialitt".



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